COTS (Commercial Off-The-Shelf)

Was ist COTS (Commercial Off-The-Shelf)?

COTS steht für "Commercial Off-The-Shelf" und bezeichnet Standard-Software- oder Hardware-Produkte, die ohne kundenspezifische Entwicklung käuflich erworben und verwendet werden können. Diese Produkte sind für den allgemeinen Gebrauch in verschiedenen Organisationen konzipiert, anstatt für die spezifischen Anforderungen eines einzelnen Käufers maßgeschneidert zu sein.

Häufige Beispiele für COTS-Produkte sind:

  • Office-Produktivitätssuiten (Microsoft Office, Google Workspace)
  • Lernmanagementsysteme (Canvas, Blackboard)
  • Customer Relationship Management (CRM) Software
  • Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme
  • Videokonferenz-Plattformen
  • Webbrowser und Plugins

COTS und digitale Barrierefreiheit

Im Kontext von Web-Barrierefreiheit und digitaler Inklusion stellen COTS-Produkte einzigartige Herausforderungen und Überlegungen dar. Organisationen müssen diese Produkte vor der Implementierung auf Barrierefreiheit prüfen, insbesondere wenn sie verwendet werden in:

  • Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten)
  • Regierungsbehörden
  • Gesundheitseinrichtungen
  • Unternehmen
  • Öffentlichen Dienstleistungen

Nach Vorschriften wie dem BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz), der europäischen Norm EN 301 549 und WCAG-Richtlinien sind Organisationen dafür verantwortlich, dass ihre digitalen Tools für Benutzer mit Behinderungen zugänglich sind, unabhängig davon, ob die Software intern entwickelt oder als COTS-Lösung erworben wurde.

Barrierefreiheitsstandards und COTS

Bei der Bewertung von COTS-Produkten auf Barrierefreiheit sollten Organisationen folgende Standards berücksichtigen:

  • WCAG 2.1 AA Standards - Der internationale Standard für Web-Barrierefreiheit
  • EN 301 549 - Europäischer Barrierefreiheitsstandard
  • BFSG (Deutschland) - Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
  • BITV 2.0 - Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung

Diese Standards bieten Benchmarks zur Messung, ob COTS-Produkte Barrierefreiheitsanforderungen für Benutzer mit visuellen, auditiven, motorischen und kognitiven Behinderungen erfüllen.

Implementierung und Beschaffungs-Best-Practices

Organisationen sollten die Barrierefreiheitsbewertung in ihren COTS-Beschaffungsprozess integrieren:

Vor-Kauf-Bewertung

  • Voluntary Product Accessibility Templates (VPATs) von Anbietern anfordern
  • Barrierefreiheits-audit durchführen oder externe Bewertungen beauftragen
  • Produkte mit Hilfstechnologien testen (Screenreader, Tastaturnavigation)
  • Barrierefreiheitsanforderungen in Ausschreibungen und Verträge einbeziehen

Nach der Implementierung

  • Barrierefreiheitsschulungen für Endbenutzer bereitstellen
  • Feedback-Mechanismen für Barrierefreiheitsprobleme etablieren
  • Produktupdates überwachen, die die Barrierefreiheit beeinträchtigen könnten
  • Dokumentation der Barrierefreiheits-Compliance-Bemühungen führen

Häufige Fehler und Missverständnisse

Organisationen machen oft diese kritischen Fehler beim Umgang mit COTS-Barrierefreiheit:

  • Annahme der Anbieter-Compliance - Viele Anbieter behaupten Barrierefreiheit ohne ordnungsgemäße Validierung
  • Ignorieren von Benutzertests - Technische Compliance garantiert keine Benutzerfreundlichkeit für Menschen mit Behinderungen
  • Aufschub der Barrierefreiheitsbewertung - Warten bis nach dem Kauf begrenzt Optionen und erhöht Kosten
  • Fokus nur auf offensichtliche Behinderungen - Übersehen kognitiver und temporärer Behinderungen
  • Barrierefreiheit als optional behandeln - Rechtliche Anforderungen gelten unabhängig von der Produktherkunft

CMS und Plattform-Überlegungen

Für webbasierte COTS-Produkte und Content-Management-Systeme sind zusätzliche Überlegungen wichtig:

  • Sicherstellen, dass Content-Erstellungstools barrierefreies Markup unterstützen
  • Überprüfen, dass Themes und Templates WCAG-Richtlinien erfüllen
  • Plugin- und Erweiterungs-Kompatibilität mit Hilfstechnologien testen
  • Barrierefreiheit bei der Integration mehrerer COTS-Lösungen aufrechterhalten

Best Practice Fazit

Der Schlüssel zur erfolgreichen COTS-Barrierefreiheitsimplementierung liegt in proaktiver Bewertung und kontinuierlichem Engagement. Organisationen sollten klare Barrierefreiheitskriterien vor der Beschaffung etablieren, regelmäßige Bewertungszyklen einhalten und Barrierefreiheit als wesentliche Anforderung und nicht als optionales Feature betrachten. Dieser Ansatz gewährleistet digitale Inklusion, schützt vor rechtlichen Risiken und verbessert die Benutzererfahrung für alle Stakeholder.

Denken Sie daran: Der Kauf von COTS-Produkten überträgt die Barrierefreiheitsverantwortung nicht von Ihrer Organisation auf den Anbieter. Die Endbenutzererfahrung bleibt Ihre Verantwortung unter den Barrierefreiheits-Compliance-Vorschriften.